Eine Fallstudie von ELTIS - the urban mobility portal
Übersetzung aus dem englischen Original: "Free public transport for car drivers in Nysa (Poland)"
Da Nysa ein hohes Verkehrsaufkommen aufweist und die Innenstadt ständig verstopft ist, entwickelte die Stadt ein wegweisendes Programm, das Autofahrern eine kostenlose Nutzung der Busse des öffentlichen Nahverkehrs ermöglicht. Seit Beginn der Regelung im Mai 2012 fahren weniger Autos in die Stadt hinein, mehr Personen nutzen öffentliche Verkehrsmittel und die Luftqualität in der Region hat sich verbessert. Die Einnahmeverluste halten sich in Grenzen und sind für Nysas Stadtverwaltung unproblematisch, weil die meisten Autofahrer vorher ohnedies keine Busfahrkarten kauften.
Kontext
Nysa ist eine in Südpolen gelegene Stadt mit mehr als 40.000 Einwohnern (58.000 in der Gemeinde) und 16 Buslinien, von denen 12 aus der Stadt herausführen. Nysas öffentliches Verkehrsunternehmen, Miejski Zakład Komunikacji (MZK), befördert jährlich 2,6 Millionen Fahrgäste.
In Nysas Innenstadt war es wegen des hohen Verkehrsaufkommens zu Problemen gekommen. Infolgedessen setzte sich die Stadtverwaltung nachdrücklich für die Förderung öffentlicher Verkehrsmittel ein.
Seit 2006 wurde Nysas Bus-Fuhrpark systematisch ausgebaut und verfügt nunmehr über insgesamt 34 Busse. Bis Ende 2014 werden moderne IT-Systeme, Fahrkartenautomaten in den Bussen sowie elektronische Informationstafeln an den Haltestellen installiert werden.
Neben den Verkehrsproblemen war es auch die Schließung der Kościuszko-Brücke – eine Hauptverkehrsader –, die die Stadtverwaltung dazu anregte, den Autofahrern mit kostenlosen öffentlichen Verkehrsmitteln zu helfen und gleichzeitig eine nachhaltige Mobilität zu fördern.
In Aktion
Der Entscheidung von Nysas Stadtverwaltung, die Regelung umzusetzen, waren mehrmonatige Vorbereitungen vorangegangen. Dies beinhaltete eine Beratung mit den Gemeinderäten, die die Bürger von Nysa vertreten, sowie mit Vertretern des städtischen Verkehrsunternehmens.
Um die Öffentlichkeit über die Regelung zu informieren, brachte die Stadtverwaltung an vier Einfallstraßen rund um die Stadt Plakatwerbung an. Busse und öffentliche Plätze wurden mit Postern versehen, auf denen ein Motto erklärt, dass öffentliche Transportmittel für Mensch und Umwelt die rücksichtsvollste innerstädtische Fortbewegungsweise sind. Das Geld für die Werbekampagne entstammt dem Budget der Stadtverwaltung.
„Regionale und nationale Medien zeigten sich am Thema freier öffentlicher Verkehrsmittel in Nysa sehr interessiert, was dazu beitrug, die Regelung voranzutreiben", so Piotr Walach, Nysas stellvertretender Bürgermeister.
Am 19. April 2012 traf Nysas Stadtverwaltung die Entscheidung, dass alle Autofahrer (einschließlich Ortsansässige, Gäste und Touristen) die öffentlichen Busse kostenlos nutzen dürfen. Beim Einsteigen in den Bus zeigen die Fahrgäste dem Fahrer einfach ihren Führerschein und die Fahrzeugpapiere.
Diese Vorgehensweise wurde im Mai 2012 von Nysas Bürgermeister in die Wege geleitet und von der Stadtverwaltung sowie der städtischen Abteilung für Kommunikation umgesetzt. Der vom Bürgermeister vorbereitete Beschluss wurde im Amtsblatt der Provinz Opole veröffentlicht.
Die Regelung ist von unbegrenzter Dauer. Ihre Umsetzung, die auch Mittel für Werbemaßnahmen beinhaltet, kostet die Stadtverwaltung 200.000 Złoty (€ 48.000).
Ergebnisse
Die Regelung ist seit zwei Jahren in Kraft und hat bislang gut funktioniert. Die Luftqualität hat sich verbessert und der Lärm sowie das Verkehrsaufkommen in der Innenstadt sind zurückgegangen. Außerdem erfreut sich das kostenlose Busfahren zumehmend größerer Beliebtheit. Studien zufolge macht sich das verminderte Verkehrsaufkommen vor allem an Wochenenden bemerkbar.
Laut Stadtverwaltung wächst die Anzahl der Fahrgäste seit Einführung der Regelung täglich um durchschnittlich 79 Personen. Mit anderen Worten: Tag für Tag sind potentiell 79 Autos weniger auf Nysas Straßen unterwegs.
Vom 26. Mai bis zum 18. Juni 2012 führte Nysas städtische Abteilung für Kommunikation die erste Befragung zur Nutzung der Stadtbusse durch. Die Studie erstreckte sich auf 14 Tage und beinhaltete vier Sonnabende sowie zwei Ferientage. Etwa 12.124 Personen wurden befragt. Es zeigte sich, dass insgesamt 451 Fahrgäste von der Möglichkeit zu Freifahrten Gebrauch machten – unter ihnen 160 Personen, die niemals zuvor öffentliche Verkehrsmittel genutzt hatten. Alle anderen Befragten zahlten den regulären Fahrpreis.
Von 2012 und Ende 2013 wurde eine weitere Umfrage durchgeführt. Diese Umfrage ergab, dass die öffentlichen Verkehrsmittel in diesem Zeitraum für mehr als 188.000 Freifahrten genutzt worden waren. Eine zusätzliche Befragung zeigte, dass viele Bürger die Maßnahme gutheißen.
Die Einnahmeverluste halten sich in engen Grenzen und stellen für Nysas Stadtverwaltung kein Problem dar, da die meisten Autofahrer vorher ohnedies keine Busfahrkarten kauften.
Vor Einführung der Regelung brachten die Fahrkartenverkäufe jährlich rund 2,2 Millionen Złoty (€ 525. 000) ein. Nach der Einführung verminderte sich diese Zahl um nur 100.000 Złoty (€ 24.000). Dies hat sich seit 2012 nicht verändert.
Herausforderungen, Chancen und Übertragbarkeit
Einer der Gründe für den Erfolg der Initiative ist die Vielvalt der Buslinien. Neben der Stadt selbst bedienen die Busse 26 Dörfer rund um Nysa.
Mit Blick auf die Bevölkerungsgröße der Region ist es städtischen Beamten zufolge jedoch schwierig zu sagen, ob sich die Gratis-Bus-Lösung auf größere Ballungsräume mit der gleichen Aussicht auf Erfolg wie in Nysa übertragen lässt.
Walach ist der Ansicht, dass die Einführung einer solchen Lösung für Städte von der Größe Nysas unproblematisch sein sollte. "In größeren Städten werden die Kosten für die Einführung einer solchen Maßnahme natürlich höher liegen. Unserer Meinung nach wird der Nutzen jedoch beträchtlich sein", so Wallach.
Nach dem Erfolg der Regelung hat die Stadtverwaltung die kostenlose Beförderung mit öffentlichen Verkehrsmitteln auf Kinder bis zum Alter von sieben Jahren ausgedehnt. Für Fahrten mit öffentlichen Verkehrsmitteln bietet Nysa inzwischen eine Vielzahl von Rabatten und Vorteilen, die von 75 Prozent der Fahrgäste genutzt werden. Finanziert wird dies aus dem 4,5 Millionen Złoty (€ 1,07 Millionen) umfassenden Budget des öffentlichen Transportunternehmens MZK.
Nysa ist jetzt Mitglied eines Partnerschaftsverbunds aus 17 Kommunen, der im Juni 2013 gebildet wurde, um vier unterschiedliche lokale Strategien zu entwickeln, die Teil einer Stadtentwicklungsstrategie für die Jahre 2014–2023 sind: Allgemeines, Transport, Arbeitsmarkt und Soziales.
Dank dem Erfolg bei der Förderung nachhaltiger Mobilität ist Nysa die führende Instanz für den Strategiebereich „Transport" und koordiniert alle mit seiner Umsetzung in Zusammenhang stehenden Aktivitäten.
Details
Links (auf Polnisch)
News article on Radio Opole
News article on Transport Publiczny
News article on Nysa's website
News article on Gazeta Wyborcza