Der Geländewagen, das ist der Klassenkampf von oben

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10. November 2013 Geschrieben von: ff

Ein Geländewagen mit schwarz getönten Fenstern fährt mit hoher Geschwindigkeit durch die Fußgängerzone, rücksichtslos. Fußgänger springen zur Seite, Radfahrer weichen gerade noch aus. Ich erhasche einen Blick auf den Fahrer, die Fahrerin, alleine, arogant, überheblich, unbeteiligt. Das passiert in einer Stadt voller Radwege und Fußwege, mit Straßenbahn und schöner Innenstadt.

Das ist keine Ausnahme. Selbst dort, wo alles getan ist, um den Umstieg vom Auto so bequem wie möglich zu machen, selbst da wo sehr viele nicht Auto fahren, terrorisiert eine aggressive Minderheit von Autofahrern die Mehrheit. Warum tut sie das? Um schneller vorwärts zu kommen? Um eine halbe Minute zu gewinnen? Gibt es deshalb so viele Geländewagen? Gibt es deshalb so viele schwarz getönte Scheiben?

 
Es geht diesen Menschen nicht um Zeit und Hektik, auch wenn sie das vorgeben, dann ist das, was Freud eine Rationalisierung genannt hat. Es geht ihnen um Sadismus, um die Lust an der Überlegenheit, um die Freude an der Macht über Wehrlose um die Befriedigung narzistischen Hedonismus der lustvoll erfahrenen Überlegenheit.

Jene Deutschen, die sich Kraft technologischer Überlegenheit zu Herren und Richtern über Leben und Tod gemacht haben, sie waren keine Fußgänger. Auch nicht nach der Niederlage ihres Staates. Viel zu denken gibt die Tatsache, dass es die Nazis waren, die die Straßen der Innenstädte, wenn auch nur für kurze Zeit, von allen Tempobeschränkungen frei gegeben haben. Es waren die Nazis, die die Autobahnen gebaut haben und den Volkswagen. Es war die BRD, die ihr automobiles Werk perfektioniert hat. Aber wieso?

 

 Geländewagen mal anders, hier in Berlin Kreuzberg.

 

Weil es nicht die selben, aber immerhin die gleichen Deutschen waren wie zuvor. Das Auto war schon längst das Mittel der Macht, in dem obersten 10% ihre Herrschaft ganz praktisch, als Herrschaft ihrer Körper über die der anderen menschlichen Körper täglich leben konnten. Eine Villa, ein Kunstgeschmack, eine Kleidung. Alles kompliziert, voraussetzungsvoll, auf die minimale Anerkennung und Zustimmung der Beherrschten angewiesen. Das Auto zwingt und nötigt, es ist die Vergewaltigung, wo Stil und Etiquette zwar ein ungleiches aber immerhin noch ein Theater, ein Spiel waren. Das Auto manifestiert wie nichts sonst die Unterschiede im Rang.

Und weil der Kleinbürger ein Kleinbürger ist, will er nach oben und merkt nicht, dass es Millionen rechts und links von ihm auch wollen. Und wenn er oben ist, kommt die Enttäuschung, da sind Massen anderer Kleinbürger und die oberen 10% sind schon wieder weitergerückt. Nun haben endlich alle Deutschen ein Auto und können ihre Freude am Fahren im Stau ausleben und ihr Leben auf der Autobahn bei 260 Sachen ableben. Es passiert was passieren muss. Die Autos werden nicht nur teurer sondern auch größer, mächtiger, brutaler. Die Spirale dreht sich weiter, die Geländewagen werden noch größer und massiver werden.

An Vernunft und Einsicht appellieren, das ist blanke Naivität. Die Deutschen fahren vielleicht als Einzelne Auto aus Notwendigkeit. Als Nation ist das Auto ein Ventil für Sadismus, Hass und Überheblichkeit. Deshalb gibt es in Deutschland kein Kopenhagen, kann es nicht geben. Es liegt nicht an den fehlenden Radwegen und der Straßenbahn. Ohne Zweifel würde es sehr viel besser damit. Aber solange das Auto herrschende Klasse und Mittelschicht zusammenschweißt, wird es bleiben.

Ein Land, in dem die Elite verkündet, dass es ganz nützlich sei, wenn manche Menschen in totale Armut rutschen, ihr Essen im Müll sammeln und auf der Straße schlafen, ein solches Land kann auch keine solidarische Mobilität machen. Ein Land ohne so unerträgliche Arroganz, das wäre nicht mehr die BRD.

 

 mehr zu den Pitbull-Autos: http://www.soziologie-etc.com/v/Palomino_gelaendewagen-offroaeder-pitbull-autos-gehoeren-verboten.html

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